Vorstandsmitglied des Ärztenetz Billstedt-Horn: Behandlung auf wenige Praxen konzentrieren
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir erleben Tage, die uns und unsere Welt fundamental verändern. Wir spüren das alle vor Ort, in unseren Praxen, bei unseren Patienten und Mitmenschen. Zunächst meinen ganz persönlichen Respekt und Dank für Ihre Leistung verbunden mit einem unendlich großen Dank an alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie an alle unsere Familienangehörigen, die diese Last derzeit genauso tragen. Wir stehen am Beginn einer exponentiellen Entwicklung.
Die rasant steigende Zahl an nachgewiesen Infizierten belegt dies Tag für Tag. In Anbetracht der rasanten Ausbreitung von SARS-COVID-19 in Deutschland und der zu erwartenden Extrembelastung der Gesundheitsversorgung, ist es an der Zeit, Vorkehrungen für die kommenden Wochen zu treffen.
Alle ärztlichen Fachgruppen – egal ob Haus oder Fachärzte – sind von der Pandemie an vorderster Front betroffen. Derzeit können wir uns mit einigen Einschränkungen noch um unsere Patienten kümmern. Gleichzeitig bereiten sich die Krankenhäuser auf eine drastische Zunahme an COVID-19-Patienten vor. Auch wir ambulant tätigen Ärzte müssen uns auf die kommenden Wochen vorbereiten. Es reicht nicht aus, auf Hilfe zu warten.
Wir müssen jetzt selbstständig tätig werden. Die Lage ist ernst. Denn es stehen möglicherweise entscheidende Tage vor uns. Die Situation in den italienischen Krankenhäusern erschüttert uns zutiefst.
Wenn ich die Berichte aus Norditalien, und insbesondere Bergamo, lese, dann müssen wir uns leider auch mit der Frage auseinandersetzen, ob die Krise in Deutschland nicht ähnliche Zustände erreichen wird. Dies müssen wir in unseren Überlegungen dringend berücksichtigen. Dabei kommt es jetzt ganz entscheidend auf die Vernetzung aller niedergelassener Kolleginnen und Kollegen vor Ort an. Wir müssen in allernächster Zeit Ressourcen bündeln und Kapazitäten mit den Krankenhäusern koordinieren.
Dabei sehe ich insbesondere zwei Patientengruppen, um die es sich zu kümmern gilt:
1. Tatsächlich erkrankte Menschen
Diese werden, soweit sie nicht hospitalisiert werden müssen, in der Häuslichkeit betreut. Die ärztlichen Besuchsdienste werden damit in Zukunft überfordert sein. Es ist sinnvoll, sich zu überlegen, ob diese Patientinnen und Patienten nicht in einigen wenigen Praxen konzentriert werden sollten. Daher rege ich an, dass regional Praxen identifiziert werden, die sich an ein oder zwei Vor- oder Nachmittagen speziell um diese Patienten kümmern. Das reduziert Infektionsmöglichkeiten, schont Ressourcen und spart Schutzausrüstung. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Schutzausrüstung vorhanden ist und die Verteilung über die KV begonnen hat. Hier sind hausärztliche und fachärztliche Praxen gefordert.
2. Chronisch kranke Patienten, die zusätzlich einen positiven Test auf COVID-19 aufweisen oder erkrankt sind und eine Spezialuntersuchung benötigen
Auch diese Patientinnen und Patienten stellen ein Infektionsrisiko dar. Hier sind alle fachärztlichen Disziplinen gefordert. Diese Behandlungen könnten in jedem Fachgebiet auch auf einige Praxen konzentriert werden, die sich an einem oder zwei Vor- oder Nachmittagen um diese Patienten, sofern sie hierzu überwiesen wurden. Dabei geht es zum Beispiel um die Durchführung einer Echokardiographie bei einem Herzinsuffizienzpatienten, der entweder an Corona erkrankt oder positiv getestet wurde. Auch hier schlage ich vor, dass in den Regionen solche Praxen identifiziert werden. Diese Pläne sind dann mit der jeweiligen KV zu koordinieren. Ich gehe mit meinen Überlegungen aber noch einen Schritt weiter:
Sollte es zu Zuständen wie in Norditalien kommen, so werden in den Krankenhäusern relativ rasch Kolleginnen und Kollegen ausfallen und auch bis zu 30 Prozent des Pflegepersonals. Da es jetzt schon keine Redundanz beim Personal gibt, wird es darum gehen, Ersatz zu schaffen.
Ich schlage vor, vor Ort Notfallpläne aufzustellen, um in einem solchen Fall die ambulante Versorgung insbesondere von fachärztlich versorgten Patienten auf einige Praxen zu konzentrieren, damit andere Praxen für den Dienst im Krankenhaus freigestellt werden können.
Dies kann dann in einem rotierenden System so sichergestellt werden, dass jede Praxis in beiden Bereichen zum Einsatz kommt. Ich bin mir dabei bewusst, dass auch das zu Ausfällen in der Folge führen wird. Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie, in Absprache mit Ihren Kollegen vor Ort so schnell wie möglich Vorkehrungen für den in den kommenden Wochen leider zu erwartenden Ernstfall zu treffen. Das bedeutet konkret zusätzlich oder alternativ zu den oben genannten Punkten:
• Kontaktieren Sie Krankenhäuser und das zuständige Gesundheitsamt in der Region und hinterlassen Sie Ihre Handynummer, falls in der Klinik, in Abstrich-Zentren oder in ähnlichen Notfalleinrichtungen Ärzte benötigt werden.
• Informieren Sie die Kassenärztliche Vereinigung und die Landesärztekammer über die geplante Notdienststruktur und bereiten Sie Aushänge zur Information der Patienten in den Praxen vor.
• Versuchen Sie in Eigenregie, an Schutzausrüstung zu kommen. Neh-
Mit herzlichen kollegialen Grüßen,
Ihr Dirk Heinrich